Das Tourbillon – Eine Höchst Komplizierte Uhrmacherische Spezialität

04. Dez 2021

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es nur eine Variante von Zeitmessern die geeignet war ihrem Besitzer sowohl zu Hause als auch unterwegs die richtige Zeit zu weisen – die Taschenuhr. Aufgrund ihrer Exklusivität, bedingt durch den hohen Preis, war sie damals allerdings ausschließlich den gut betuchten Zeitgenossen vorbehalten.

 

Später dann, nach Einzug der industriellen Fertigung in die Uhrenindustrie, gegen Mitte des 19. Jahrhunderts, war es dann auch möglich, dass Taschenuhren kostengünstiger hergestellt werden konnten und so auch für den Mittelstand bezahlbar waren.

 

Taschenuhren, oder auch Sackuhren bzw. Frackuhren wurden in der Regel von den Herren der Gesellschaft, mit Ketten versehen, in deren Hosentaschen oder auch Jacken- bzw. Westentaschen getragen.

 

Aufgrund dieser Trageposition, also immer senkrecht (allerdings in den verschiedenen „hängenden“ Lagen), ergab sich das Problem, dass diese Uhren eine gewisse Ungenauigkeit aufgrund des Schwerpunktfehlers der Unruh in Kombination mit der Schwerkraft, den sogenannten Lagefehler hatten. Eine weitere Ursache dieser Problematik waren zusätzlich, die zu dieser Zeit gebräuchlichen Kompensationsunruhen. Diese, bestehend aus einem aufgeschnittenen Bimetall-Reif, glichen das Trägheitsmoment der Unruh bei verschiedenen Temperaturen aus, verstärkten aber im Gegenzug den Schwerpunktfehler.

 

Der berühmte Uhrmacher Abraham-Louis Breguet erkannte dieses Problem und die Ursache schon früh und verschrieb sich daraufhin diesem komplexen Fehler. Er entwickelte in den Jahren 1779-1800 das Tourbillon (übersetzt „Wirbelwind“). Hier handelt es sich um einen höchst raffinierten Mechanismus der den außerhalb der Drehachse liegenden Schwerpunkt der Unruh und die daraus resultierenden Gangabweichungen ausgleicht. Eine Taschenuhr nimmt beim Tragen keine feste Position ein, das heißt der Schwerpunkt der Unruh kann mal oben, unten oder auch rechts oder links der Drehachse liegen. So bedingt diese Lagenänderung, dass die Uhr mal vor, mal nach geht, dies aber nicht zu kontrollieren ist.

 

Die Grundidee Breguets´ Erfindung war, das komplette System, samt Schwerpunktfehler, um seine eigene Achse drehen zu lassen.

Nun durchschreitet die gesamte Hemmung (das Echappement) während eines immer wiederkehrenden Zeitintervalls alle Lagen. Die Folge ist, dass sich der Vorgang in der einen Lage mit dem entsprechenden Nachgang in der anderen Lage ausgleicht und somit die Abweichungen deutlich reduziert werden können bzw. sich im Idealfall gegenseitig aufheben. Als Zeitintervall wählte Breguet vorerst die Minute, das bedeutet, dass sich einmal in der Minute die komplette Hemmung um sich selbst dreht – daher auch der Name „Minutentourbillon“.

 

Die technische bzw. uhrmacherische Umsetzung war natürlich höchst diffizil. Er montierte Unruh, Spirale, Anker und Ankerrad im inneren eines mobilen Käfigs. Dieses Drehgestell, aufgeschraubt auf der Sekundenradwelle des Uhrwerks, musste selbstredend perfekt ausgeführt sein. Möglichst geringes Gewicht, in sich selbst ausgewuchtet und minimalste Toleranzen waren nötig um bestmögliche Ergebnisse zu bekommen. Im Inneren des Käfigs schwingt die Unruh nun genau konzentrisch über der Achse der Sekundenradwelle, von der aus der Käfig permanent, innerhalb einer Minute um sich selbst gedreht wird. Während des Drehens des Käfigs wälzt sich das Ankerradtrieb am fest auf dem Uhrwerk, konzentrisch zur Sekundenradwelle montierten Sekundenrad ab und bringt somit, über Ankerrad und Anker, die Unruh zum Schwingen. Im Jahr 1801 dann erhielt Abraham Louis Breguet in Frankreich das heiß ersehnte Patent auf seine Erfindung „Régulateur à Tourbillon“.

 

In dessen Folge war ihm zugesichert, dass nur er alleine für die darauffolgenden 10 Jahre Tourbillons herstellen durfte. In den folgenden Jahren wurden wohl etwas mehr als 26 Stück solcher Tourbillon Uhren von Breguet gefertigt, allerdings alle in den unterschiedlichsten Ausführungen.

 

Diese absolute Spitzenleistung in der Uhrmacherei war zu der damaligen Zeit eine enorme Verbesserung im Bereich der tragbaren Uhren.

 

Oftmals wird das Tourbillon als eine Komplikation behandelt, streng genommen ist dies allerdings nicht richtig. Das Tourbillon stellt keine weitere Funktion dar, trotzdem darf es mit Fug und Recht als einer der komplexesten Mechanismen in der Uhrmacherei gewertet werden.

 

Die Exklusivität und auch die Komplexität einer Uhr mit Tourbillon wurde und wird auch heute noch durch die geringen Stückzahlen, bzw. auch die entsprechend hohen Preise ersichtlich.

 

Aufgrund innovativer Herstellungsmethoden und auch neuer Materialien sind Tourbillons zur Verbesserung der Ganggenauigkeit gegenwärtig allerdings nicht mehr nötig. Sie verkörpern das technisch machbare um gewisse Störfaktoren zu beseitigen und werden heutzutage von den renommiertesten Manufakturen der Uhrenbranche genutzt um ihre hohe technische und auch handwerkliche Kompetenz zu unterstreichen. Ebenso dokumentieren die Besitzer solcher Uhren ihre Liebe zur detailversessenen Mechanik und verstehen es auch oft als Tribut an die großartigen Uhrmachermeister der Vergangenheit, in diesem Fall speziell als Tribut an Abraham Louis Breguet.

 

Sollten sie weiter Interesse an solcher Literatur haben, so lassen sie sich folgende Bücher ans Herz legen:

 

  • ISBN 3-7667-1059-1, Reinhard Meis, Das Tourbillon, Callwey Verlag München
  • ISBN 978-3-939315-54-4, Alfred Helwig, Drehganguhren, Verlag Historische Uhrenbücher (dieses ist zu beziehen über uhrenliteraturshop.de oder Tel.: +49 (0) 30-83203842)
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